Sieht man sich Karen Jerzyks eindrückliche Bilder an, fühlt man sich wie in einer Szene aus einem Märchenbuch und einem Horrorfilm. Die amerikanische Fotografin aus Boston erweckt in ihren Bildern Fantasie-Charaktere zum Leben und lichtet düstere Königinnen, magische Feenmädchen und geisterhafte Puppen in verlassenen, heruntergekommenen Häusern ab. Bereits 24'000 Follower tauchen in ihre morbide Traumwelt auf Instagram ein. Nach einer stressigen Karriere im Verkauf machte die ehemalige Englischstudentin ihren Fototraum wahr und kann nun von der Fotografie leben. Im Interview verrät sie uns, was ihre Kreativität inspiriert, wieso sie wegen ihrer Fotos verhaftet wurde und spricht über die schlimmste Tragödie ihres Lebens.
Karen, wann und warum hast du angefangen zu fotografieren?
Das war 2003. Ich versteckte immer eine Kamera in meiner Unterwäsche, um sie in Konzerte zu schmuggeln. So baute ich mir ein Portfolio auf. Ein paar Jahre später brachte mich ein Freund zur Portrait-Fotografie – ich wusste sofort, dass es genau das war, was ich immer machen wollte. Weil ich aber immer nur wenig Geld zur Verfügung hatte, konnte ich mir kein eigenes Studio leisten und suchte deshalb im Internet nach Locations. Ich verliebte mich in Bilder von verlassenen Orten, auf die ich immer wieder stiess und wusste: Dort will ich meine Fotos zum Leben erwecken.
Deine Fotos wirken sehr düster und auch mysteriös. Weshalb ist das so?
Vor sechs Jahren ist mein Vater an einem Herzinfarkt gestorben. Das hat mich komplett zerstört. Wir standen uns extrem nahe. Nach seinem Tod war ich depressiv und verängstigt – das Einzige, das ich kontrollieren konnte und das mich besser fühlen liess, war die Fotografie. Fotos zu schiessen hat mein Leben gerettet. Meine Fotos zeigen, dass das Leben gleichzeitig wunderschön, furchtbar und gruselig sein kann.
Woher nimmst du deine Inspiration?
Seit ich mich erinnern kann, bin ich in Bücher und besonders in Filme vernarrt: «Die unendliche Geschichte», «Oz – eine fantastische Welt» und «Die Reise ins Labyrinth» haben mir die Wichtigkeit von praktischer Wirkung beigebracht – mir ist wichtig, dass alles in meinen Bildern real ist. Mich inspirieren Filmemacher wie Stanley Kubrick, Wes Anderson und David Lynch.
Deine Setups sehen unglaublich aus. Wie lange brauchst du, um sie aufzubauen?
In den verlassenen Häusern brauche ich normalerweise ein bis drei Stunden, um einen Raum herzurichten. Aber ich versuche mich zu beeilen, wenn ich irgendwo unerlaubt eintrete und werde dann schnell paranoid. Sobald ich in einem dieser Häuser bin, verbringe ich viel Zeit damit zu putzen, aufzuräumen und die Räume in ihr ursprüngliches Aussehen zurückzuversetzen. Das Setup aufzubauen ist für mich der wichtigste Teil. Das eigentliche Fotografieren dauert jedoch nur 5-20 Minuten.
Du wurdest einmal in einem der verlassenen Häuser verhaftet – wie kam es dazu und was ist passiert?
In den meisten verlassenen Häusern halte ich mich ohne Erlaubnis auf. Ich reise durch ganz Amerika, um meine Locations zu finden. Dieses eine Haus hatte es mir besonders angetan. Wie ich schon erwähnt habe, putze ich ja zuerst und schiebe Möbel hin und her, um das Setup zu kreieren. Damals wusste ich aber nicht, dass der ursprüngliche Hausbesitzer immer mal wieder nach dem Haus schaute. Er rief die Polizei und ich musste mich sofort stellen und wurde verhaftet. Später fand ich heraus, dass mich auch eine andere Fotografin verpfiffen hatte. An diesem Tag lernte ich, lieber für mich zu bleiben und der Fotografie-Szene nicht zu vertrauen.
Karen Jerzyk ist neben Instagram auch auf Facebook zu finden. Wenn du dir ihre gruseligen Märchenszenen ins eigene Wohnzimmer hängen möchtest, um die Geschichte im Kopf weiterzuspinnen, schaust du am besten auf ihrer Website nach.
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